"Nicht Kunst und Wissenschaft allein"- vom sinnvollen Trainingsaufbau
" Gut Ding`will Weile haben"- das galt schon immer für die Ausbildung von Pferden. Sonst führt der noch so gute Wille des Pferdebesitzers dazu, dass
das Training schadet, anstatt zu nutze.
Bildquelle: Wikipedia
Zu früh, zu schnell, zu viel, zu lange- dies sind die vier " apokalyptischen Reiter" in der PFerdeausbildung, die den größten Schaden an Pferdekörper und Pferdegeist hinterlassen.
Natürlich, ganz ohne angemessenes Training geht es auch nicht, zumal wenn ein Pferd geritten werden soll. Aber was ist eigentlich " angemessen"?
Jeder Pferdebesitzer will das Beste für den geliebten Partner- doch fällt es manchmal schwer, sinnvoll von unsinnig oder gar schädlich zu unterscheiden.
Hier haben wir sehr konkrete Anweisungen, wenn wir einen Blick in die Geschichte der Reitunst werfen. Schon vor 500 Jahren beschäftigte sich
Federico Grisone in seiner " Gli ordini di Cavalcare" ( Neapel, 1550) mit dem Aufbau sinnvollen Trainings. Dabei gilt: es ist nicht sinnvoll, gleich einem "reenactment " einfach nachzuahmen, was
man in historischen Büchern erfährt, sondern mit heutigem ethischen und wisschenschaftlichen Verständnis Inhalte verstehen und diese dann für unsere PFerde nutzen.
So ist nichts schwieriger als das rechte Maß zu finden, dass , was man in der Renaissance " misura" nannte: das Rechte zur richtigen Zeit im richtigen Maß tun.
Doch schon hier fängt es an: was ist denn das Richtige, wenn es um die Ausbildung des Pferdes geht? Tatsache ist: ebenso, wie richtige Arbeit dem Pferd nützt, so schadet die falsche oder auch gar keine Arbeit:
" Manches sollte man nicht zu oft praktizieren, denn wenn man dies zu oft ausführt, dann verbiegt sich die Wirbelsäule des Pferdes und vernichtet jede Art von Herz, Tapferkeit und Stärke in jedem Teil des Körpers. Ein Pferd ist wie Eisen das rostet, wenn es zu viel genutzt wird , aber auch wenn es gar nicht genutzt wird."
Schon mit dem Beginn der Arbeit mit dem Jungpferd fängt es an: wann ist ein guter Zeitpunkt, mit Arbeit zu beginnen? Und was ist " Arbeit " überhaupt? Verschwommen ist oft für den Menschen eine Grenze zwischen Spiel und Ernst, soll die gemeinsame Zeit mit dem Pferd vor allem doch beiden Partnern Freude bringen. Hier kann es schnell passieren, dass man den " Ernst der Lage" für das Pferd nicht erkennt und bei jedem Tun genau beobachten muss, wie das Pferd reagiert. Besonders die Wahrnehmung von Stress oder gar Schmerz muss beim Menschen geschult werden, da wir heute nicht mehr selbstverständlich um diese Dinge wissen- das Lebewesen Pferd ist uns im Laufe der letzten 100 Jahren einfach zu fremd geworden. So ist jede Aufgabe, die eine Erwartungshaltung innehat eine Arbeit: eine geitige und körperliche Betätigung. Je nach gesitiger und körperlicher Reife und Verfassung kann schon eine Kleinigkeit- in unserem Augen- für das PFerd sehr mühsam sein. So erfordern zum Beispiel Spielereien auf der Kreisbahn vom Pferd eine völlig unbekannte Balance oder ein Befolgen von Hilfen ein anstrengendes Fokussieren und Konzentrieren auf eine regelrechte Fremdsprache. Dinge wie Seitengänge, versammelnde Arbeit oder Galopparbeit- auch ohne zusätzliches Gewicht auf dem Rücken- sind so gar nichts für junge PFerde, deren Körper erst dann in Belastung genommen werden darf , wenn er mindestens ausgewachsen ist. Das kann durchaus erst zwischen 6 und 8 Jahren der Fall sein: in diesem Alter nahmen die Reitmeister vor der französischen Revolution, unter ihnen so berühmte Größen wie Newcastle oder de la Gueriniere ihre Pferde erst auf die Reitbahn und begannen, sie zuerst am Boden, dann auch mit Reiter zu schulen. Für sie beginnt Arbeit nicht erst mit dem Auflegen eines Sattels, auch wir sollten lernen wahrzunehmen, wie viel wir unseren Pferden " so nebenbei" oft abverlangen. Belastung für ein PFerd ist nicht nur ein Reitergewicht, das sich in Kilogramm messen läßt.
" Dass ein dreijähriges Pferd, welches noch sein völliges Gewächse nicht hat, it so zart und weich, dass man es leichtlich verderben kann, wann man es reitet, zu dem ist ihm auch der Verstand ( wann man also sagen darf) noch nicht kommen und also kann es nicht wohl lernen, was es abgerichtet zu werden wissen muss." William Cavendish, Herzog von Newcastle , erklärt 1671, dass erst ausgewachsene Pferde - körperlich und auch mental !- in die Arbeit genommen werden können.
Ein Pferd ist erst mit frühestens 6 Jahren ausgewachsen. Jeder, der sich mit Biomechanik und klassischer Pferdeausbildung beschäftigt, weiß um diese Tatsache. Arbeitet man ein Pferd schon früher intensiv, womöglich sogar unter dem Sattel, nimmt man sehenden Auges Schäden in Kauf.
Ein " zu spät" gibt es nicht, ein Pferd lernt ein Leben lang. Das Pferd darf niemals ermüdet werden, niemals so lange gearbeitet werden, dass seine Konzentration schwindet, was beim erwachsenen Pferd in der Regel schon nach 20 Minuten der Fall ist. Grundsätzlich sollte ein Training auch beim erwachsenen, geschulten nicht länger sein als maximal eine Stunde, warnt Grisone, und nicht öfter erfolgen als dreimal in der Woche, damit das Pferd sich erholen könne und sein Körper sich von der Anstrengung erhole, sein Geist aber die Pause nutzen könne, um zu verstehen. Wirft man einen Blick auf die Trainingspläne heutiger Freizeitpferde und - ponys , erinnern diese allzu oft an Hochleistungssport, dabei sind gerade Pausenzeiten wesentlich für die Gesundheit. Löhneysen, der ein Enkelschüler Grisones ist, plädiert sogar dafür, im Laufe des Jahres immer mal wieder zum Teil wochenlange Pausenzeiten einzuplanen, weil Körper und Geist des Pferdes durchaus auch längere Phasen der Ruhe bräuchten. Auch heute können wir beobachten: Pferde, die besonders viel von Menschen bewegt werden, hören auf, sich selber zu bewegen, denn sie sammeln ihre Kräfte und Ressourcen für die Anstrengung der Arbeit. Wir müssen verstehen, dass wir heute nicht die Beweger , sondern Bewegungslehrer unserer Pferde sind. Verweigert es sich, hat es vermutlich Grund dazu.
Der Gedanke, ein Pferd lieber jung in die Arbeit zu nehmen oder das PFerd vor der Arbeit bewußt zu ermüden, weil ein erwachsenes, kraftvolles Pferd sich in der Arbeit gegen den Menschen und dessen Willen und Ideen " wehren" will, gibt eindeutige Auskunft über die Geisteshaltung dessen, der ihn denkt. Die gemeinsame Zeit mit dem Pferd muss immer so gestaltet sein, dass sie dem Pferd Freude bringt, es darf sich gar nicht wehren wollen, nur dann kann der Mensch es für sich gewinnen. Wer ein Pferd zwingen will oder muss, wird niemals einen Partner erhalten, an dem er wachsen kann.
Unsere Amy , gerade 5 Jahre alt geworden: sieht erwachsen aus, ist es aber lange nicht. Die letzten Zähnen brechen durch ein sicheres Zeichen, dass
Balance in der rostralen Kugel Schädel zur Zeit gestört ist. Dadurch ist die gesamte Balance im Körper gestört. Bei den alten Meistern gilt ein fünfjähriges Pferd noch als Fohlen, das die
Kommunikation mit dem Menschen lernen muss. So ist die Aerbeit an Hilfengebung altergemäß, ein Schulen des Körpers aber in diesem Alter noch zu früh. Alles, was ein Jungpferd über Balance lernt,
muss es später, wenn der ausgeqchsene Körper seine entgültige Balance gefunden hat, neu lernen. Nur, dass es sich bis schon schon eine Meinung zur Kompetenz des Menschen gemacht
hat...
Die Schulung im Galopp ist eine Arbeit, die man erst nach langer Schulung, so wie hier meine Schülerin Katharina, dem Pferd abverlangen kann
und das auch nicht zu häufig, erklärt Grisone. Er verderbe sonst das Genick, mache das Pferd "halsstarrig"- schafft also Probleme mit der Durchlässigkeit und Balance, so dass das PFerd seinen
Hals und Kopf gegen die Zentrifgualkraft stützen muss, statt ihn geschmeidig in Biegungsrichtung in Selbsthaltung tragen zu können. Diese Elemente müssen vorher sicher etabliert sein, so dass
Missverständnisse schnell wieder ausgeräumt werden können.
So muss im Laufe der Ausbildung genau entschieden werden, wann ein Pferd welcher Aufgabe gewachsen ist. Eine feststehende Abfolge von Übungen, Lektionen oder Ähnlichem gibt es nicht, wenn es um individuelle Pferdeausbildung geht. Hier gilt grundsätzlich: der Weg ist das Ziel! Und das Ziel? Das ist ein gesundes, lebensfrohes, SELBST -BEWUSSTES PFerd, dass zu seiner Freude Dinge über seinen Körper erfährt, ihn in seiner Kraft wahrzunehmen und ihn für sich nutzen lernt ( Wer mehr über die Selbst-Haltung des Pferdes lesen mag, ist HIER richtig) .
Respekt vor dem individuellen Balancegefühl, sowie der persönlichen, ganz eigenen Anlage eines Pferdes ist hierbei selbstverständlich. Vorsicht: es ist immer viel einfacher, herauszubekommen, was für Anlagen ein Pferd nicht hat, was es nicht kann, als das, was es kann: wenn das Pferd es darf, wird es das schon mitteilen! Jedes Abweherverhalten muss hierbei von größtem Interesse vom Menschen sein, weil ein Pferd in diesem Moment zeigt, was es nutzt, wenn es ihm etwas wichtig ist.
Ein stetes Scheitern aber in jeder Arbeitseinheit kann nicht motivierend für das Pferd sein, so dass es im Laufe der Ausbildung immer weniger Interesse an den Ideen des Menschen bekommt. Die Arbeit soll Mensch und Pferd verbinden , nicht trennen!
"Wenn man in den Reitlehren liest, daß jede neue Lektion erst dann begonnen werden darf, wenn die im Dressuraufbau vorhergehende „leichtere“ absolut „sitzt“, ist dieser Grundsatz, ein losgelassenes, unbefangenes Pferd vorausgesetzt, richtig und unanfechtbar. Allerdings hat dieses Prinzip in der Praxis nicht unbedingte Geltung. Da kann es nämlich vorkommen, daß durch unausgesetztes, stures „Üben“ einer Lektion die Pferde je nach Temperament und Charakter sauer und matt oder nervös und widerspenstig werden, sich in verkrampfter Protesthaltung „lauernd“ spannen und die erforderliche freudige Hingabe völlig vermissen lassen. Aus diesem Grund ist es in der Praxis erfolgversprechender, wenn die Ausbilder – es gibt ja auch solche, die Anlage zum gußeisernen Dogmatiker oder Simplicius haben - , sobald sie sich „festreiten“, ihre falsche Pedanterie, die nichts mit Beharrlichkeit gemein hat, aufgeben und ihr Pferd durch ganz andere (oft sogar „schwerere“) angebotene Übungen ablenken und wieder unbefangen machen." (Waldemar Seunig, 1965)
Die hier beschriebene " Unbefangenheit" , die Freude am Tun, das, was man im Barock " Zierlichkeit" nannte, Harmonie, Leichtigkeit : nur dann, wenn sich dieses einstellt, wenn das Pferd sich einbringen kann, wenn es sich seiner Natur gemäß bewegen, verhalten und lernen kann, kann von Arbeit zum Benefit des Pferdes die Rede sein.
Behutsame Biegearbeit auf großen Linien statt fatalen Eingriffen in die natürliche Balance ds Pferdes: weniger ist in diesem Fall immer mehr!
" Seitwärtsgänge " sind dem PFerd deswegen nicht möglich, weil sie nicht in seiner Natur liegen. Führt es dennoch ein treten nach seitwärts aus, dann geht das zu Lasten der naturgegebenen Balance: die Bewegung ist künstlich oder "entartet." Ein Krebs kann deswegen seitwärts treten, weil sein Körper dafür gebaut ist. Ein einziger Blick auf die Antomie des Pferdeskörpers macht klar, worin es sich vom Krebs unterscheidet, denn alle seine Strukturen sind stromlinienförmig von hinten nach vorne angeordnet. " Das Pferd muss immer vorwärts gehen, und sei es auch nur um Strohhalmsbreite," fordert Newcastle deswegen.
Natürlich gehört ein Grundwissen an anatomischen, biomechanischen und lernpsychologischen Gegebenheiten dazu, wenn man ein Pferd ausbilden will. Und auch da haben die alten Meister völlig andere Vorstellungen als wir heute: für sie ist es immer ein Pferd, mit einem Rücken, mit immer den selben vier Beinen, die sich immer nur so bewegen können, wie sie eben durch individuelle Bauart und Sitz am Körper gemacht sind. Dass ein Pferd irgendetwas in einer bestimmten Weise können muss, dass man es via Notengebung , Prüfungsparametern oder Punkteskala von anderen Pferden unterscheiden kann, Gangarten einzeln bewertbar sind, ein Pferd etwas "richtig" oder " falsch" macht, sofern es pferdegesund ist- den Gedanken kannte man vor der Einführung des militärisch uniform geprägten Turnierwesens im Pferdesport nicht. Ganz im Gegenteil gebührte demjenigen Pferd größter Respekt, das etwas Besonderes konnte, das etwas konnte, das sonst keiner machte: Individualität war das höchste Gut.
Die Reitkunst, erklärt Antoine de Pluvinel in seiner "L ´instruction du Roy" im Jahr 1626 , sei immer eine Reise des Pferdes, der Mensch lediglich sein Begleiter, der Angebote offeriert . Das Pferd selber aber müsse entscheiden, ob es lieber dies oder das leben wolle. Kein Wunder, es ist schließlich sein Leben!
Ein solches Bild bietet sich dem, der das Wohl des Pferdes bei der Arbeit aus den Augen verliert: Löcher in der Muskulatur, verklebte Faszien, Aufwölbungen und Einsenkungen der Oberlinie, hinreichend bis zu den knöchernen Strukturen.
Ein Pferd mit einem solchen Erscheinungsbild braucht vorsichtige Rekonvaleszenzarbeit, es leidet und hat Schmerzen.
Auch über das Lernverhalten wußten die Alten Meister eine ganze Menge. Hört man heute landläufig oft die Meinung, wenn ein Pferd von sich aus die nächste Lektion, die nächsthöhere Gangart, die erstärkte Kadenz anbiete, "es sei nun endlich soweit" und habe also alle Inhalte vorher gelenrt, brauche neuen Input, warnt Grisone ausdrücklich davor, dieses " Mehr" anzunehmen. Im Gegenteil, erklärt er, dies sei ein Übersprungsverhalten des Pferdes, dass sich danach sehne, dem Willen des Menschen so sehr zu gefallen, dass es über seine Grenzen gehe, damit es dann in Ruhe gelassen werde. Hier hilft nur: hinsehen und die Notbremse ziehen, das Pferd , dass etwas anbietet, ist nicht willig, sondern überfordert!
Lernen durch Nachahmen: wenn das junge Pferd dann gearbeitet wurde, war nicht nur niemals allein, sondern es wurde ihm stets eine mögliche Lösung der Fragestellung präsentiert, so dass es niemals hilflos oder ratlos war und sich seinem natürlichen Verhalten gemäß an dem orientieren konnte, was das ältere , erfahrenere Pferd ausführte.
Am wichtigesten zu verstehen ist, dass es in der PFerdeausbildung nicht darum geht, dass ein PFerd eine bestimmte Lektion ausüben kann, einem bestimmten Bild entspricht, etwas " nachturnt" sondern das dass, was wir tun, immer das sein muss, was diesem PFerd jetzt nützlich ist. Dabei muss unsere Palette an Angeboten umso umfangreicher sein, je mehr verschiedene Pferde wir arbeiten oder je größer ein Handicap ist, das ein PFerd mitbringt. Für jedes Pferd hat jede Lektion einen anderen Inhalt, weil es bestimmte Dinge von Natur aus schon kann, sich andere Dinge noch nicht einmal vorstellen kann. Deswegen kann niemals ein Übung für alle Pferde empfehlenswert sein, niemals eine bestimmte Hilfengebung zum Ziel führen, weil eben jedes Pferd Hilfe bei ganz unterschiedlichen Dingen braucht. Je mehr sich ein Körper auf eine neue Aufgabe einstellen muss, je ungünstiger die Starbedingungen sind, desto länger ist der Weg .
Pferdeausbildung braucht Ziet, Dinge müssen sich entwickeln können. Reell gesehen dauert es Monate und Jahre, bis ein Pferd ausgebildet ist. Und warum auch nicht? Es gibt doch heute keien Grund mehr zur Hetzte als allein das eigneen Ego und der Wunsch, sich zu profilieren. In wessen Augen ? Das ist ein ganz anderes Thema...
Ein Pferd, das sich als PFerd bewegen mag, seinen Körper so nutzen kann, wie es das möchte- das ist heute das einzig vertretbare das Ziel der Ausbildung. Jede Lektion, jede Übung ist hier nur das Mittel zum Zweck
Und weil das alles so schwierig ist und oftmals alles von uns fordert und trotzdem nicht zu reichen scheint und weil unsere Pferde uns trotzdem immer wieder ihre Zuneigung zeigen und weil wir dadurch so viel über das lernen können, was eigentlich Menschlichkeit ausmacht, nämlich Fehler zu verzeihen und gnädig zu sein und Mitgefühl zu haben und weil wir daran so sehr wachsen können, wenn wir es uns erlauben- deswegen brauchen wir unsere Pferde.